von Gabriele Schabbel-Mader (Präsidentin der Gesellschaft zur Gartenkultur)

 

Bei dem Begriff Park hat man fast immer eine stolze Anlage vor Augen, alte Bäume, sanft gewellte Rasenflächen, vielleicht sogar Freitreppen oder Wasserflächen. Hamburg bietet eine Fülle von Beispielen für diese Bilder, den Jenisch-Park, den Stadtpark, aber auch unsere berühmte Perlenkette an der Elbe, die Reihe der kleineren Parks wie Hessepark, Baurs Park oder den Hirschpark. Hamburg ist zu Recht stolz auf dieses grüne Erbe. Wenn aber Hamburg zu den grünsten Städten Europas zählt, dann auch deshalb, weil es unzählige kleine Grünanlagen über die ganze Stadt verteilt gibt. Der Park um die Ecke sozusagen, oft nur nebenbei wahrgenommen, wenn man durch die Stadt fährt, aber was für kleine Oasen sind das! Aus meiner eigenen Biografie weiß ich, wie wertvoll diese Plätze sind.

Aufgewachsen in einer Wohnung, zunächst in Hamburg, anschließend in Mülheim an der Ruhr, waren diese Anlagen für mich die erste Begegnung mit der Natur und den Jahreszeiten. Und damit wurde bei mir ein Grundinteresse geweckt, welches letztendlich sogar zielführend  für meine Berufswahl „ Landschaftsarchitektin“ war.

 

Was zeichnet sie nun aus, diese kleinen Parks? Zum einen die räumliche Begrenztheit, oft sind sie eingezwängt zwischen Häuserblocks oder es sind Restflächen eines ehemaligen Gartens, dann vielleicht sogar mit einzelnen schöne Ziergehölzen, wie Magnolien oder alten Bäumen. Blumenbeete findet man dort selten, eher Rasenflächen auf denen die Hunde toben können, ein paar Bänke, oft ein kleiner Spielplatz mit Minimalausstattung wie Sandkiste, Schaukel und Rutsche. Aber sei es drum, so etwas kann ein Paradies sein und ist ein sozialer Mittelpunkt für die Bewohner eines Quartiers. Kinder lieben solche Plätze und finden dort ihre eigenen Nischen, oft genug neben den für sie vorgesehenen Geräten. Ich bitte nachträglich die große Buchengruppe mit ihrem herrlichen Wurzelwerk um Verzeihung, aber wir hatten dort als Kinder unsere Puppenwohnung und ein hoch gewachsenes Wurzelknie war unser Herd. Aus meiner heutigen fachlichen Sicht natürlich unmöglich. Das Besondere an diesen Parks war nicht die Ausstattung, sondern die fußläufige Nähe zu den Wohnungen: man kann mal für ein halbe Stunde „rausgehen“. Mütter mit kleinen Kindern gehören zu den intensivsten Parknutzern, in einer Großstadt ersetzen die Parks den eigenen Garten. Endlose Nachmittage verbringen die Mütter dort, dabei liegt bei Ihnen die Arbeit genauso zu Hause, wie bei den gartenbesitzenden Müttern, die ihre Kinder nebenbei beaufsichtigen können. Irgendwann ist der Park den Kindern so vertraut, dass sie sich allein dorthin trauen. Die Möglichkeit, sich auch mal räumlich trennen zu können aus der Beengtheit einer 2-3 oder 4-Zimmer-Wohnungen, empfinden auch schon Kinder als befreiend und der „ Park um die Ecke“ ist ein Platz, den sie allein erreichen können. Auch ältere Menschen nutzen den Park zum Ausruhen auf dem Weg zum Einkaufen, als Treffpunkt zum Klönschnack und auch mal als Möglichkeit, z.B. auch ohne eigene Enkelkinder einmal spielende Kinder zu erleben.

 

Wir reden über Grünzüge, Siedlungsgrün, Abstandsgrün, Blockrandbebauung, der Park um die Ecke bricht all dies herunter auf ein menschliches Maß. Wir planen für Menschen und unsere Erfolge müssen wir daran messen lassen, wie die Anlagen angenommen werden. Mein Großvater Siegfried Lange war ebenfalls Gartenarchitekt und Gartenamtsleiter in Lüneburg in den 50er und 60er Jahren. Er hat mir sein Gestaltungsprinzip für das Stadtbild verraten: Überall wo es ging, kleine Grüninseln anzulegen: eine wohlplatzierte Bank, ein Beet mit Rosen oder Sommerblumen. Nach dem Krieg lechzten die Menschen nach Farbe. „ Ecken- Lange“ wurde er deshalb genannt. Das waren goldene Zeiten damals in Bezug auf die Mitarbeiter für die Pflege. Eine Stadt wie Lüneburg mit 60.000 Einwohnern hatte eine eigene Stadtgärtnerei, in der die Sommerblumen selbst gezogen wurden. Alles dies wurde wegrationalisiert. Es ist doch eigentlich traurig, dass heute, in wirtschaftlich viel besseren Zeiten als nach dem Krieg, viel weniger Wert auf die Pflege gelegt wird und die Grünflächenämter chronisch unterbesetzt sind.

 

Was sind die Lösungen? Wie schaffen wir es, dass den Parkflächen wieder eine größere Wertschätzung zukommt? Guerilla- Gardening? Patenschaften für Grünflächen? „ Silbersommer & Co., also Pflanzkonzepte mit stadtklimafesten Stauden und anorganischen Mulchmaterialien? Meiner Meinung nach ist es das Wichtigste, die grünen Oasen zu erhalten, nicht jede Fläche zuzubauen, also beim Stichwort Nachverdichtung nicht zu sehr zu pressen, sondern Nischen bestehen zu lassen und mal eben nicht zugunsten einer geschlossenen Straßenfront zu bebauen. Eine Studie hat ergeben, dass gerade die kleinen Grünflächen innerhalb einer Stadt ganz entscheidend zum Temperaturausgleich beitragen. Eine zusammenhängende Grünfläche ist viel effektiver als einzelne Bauminseln, die viel zu schnell austrocknen. Die Zeichen der globalen Erwärmung spüren wir in der Stadt viel stärker als im Umland, wo große Ackerflächen noch die Temperaturen ausgleichen.

 

Als Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur ist es mir ein Anliegen, das Bewusstsein für den Wert von gestaltetem Grün zu schärfen, das Verständnis für Pflanzen als lebendigem Organismus zu stärken und sich selbst nur als einen Teil des ökologischen Gesamtsystems zu begreifen. Die Parks und die Ecke sind vergleichbar mit den Tante- Emma-Läden. Jedes Quartier hatte so einen kleinen Laden, fußläufig gut zu erreichbar für Mütter mit kleinen Kindern, Kinder, die losgeschickt wurden ihre ersten Einkäufe zu machen, ältere Menschen ohne Auto. Mit der „ Automobilmachung“ in den 70er Jahren entstanden die Einkaufszentren auf der „grünen Wiese“, die kleinen Läden verschwanden, den Stadtquartieren fehlte eine lebendige Mitte, eine Verödung ging damit einher. Aber seit einiger Zeit gibt es eine Wiederbelebung der Quartiere. Es sind die Türken mit Ihren herrlichen Obstläden, die Inder und Araber mit ihren rund um die Uhr geöffneten Familienbetrieben, die sich in den kleinen Läden eine Existenz aufbauen.

 

Und die kleinen Parks? So wie es auch in den früheren Gestaltungsepochen immer eine Bewegung und eine Gegenbewegung gab, auf den Barock folgte der englische Landschaftspark, so warte ich nun auf die Gegenbewegung als Antwort auf die großen zentralen Grünanlagen, die es natürlich in einer Stadt geben muss, aber eben nicht ausschließlich. Und die ersten verheißungsvollen Anzeichen sind da, es entstehen Gartenprojekte wie das Gartendeck in Hamburg oder die Prinzessinnengärten in Berlin oder gleich eine ganze essbare Stadt wie in Andernach. Die Politik ist aufgefordert, diese Tendenz zu erkennen und bewusst bei neuen Bauvorhaben zu hinterfragen und als Maßstäbe für neue menschliche Bauprojekte umzusetzen.

 

Dieser Artikel ist erschienen in der Broschüre Grün modern. Sie ist kostenlos erhältlich bei:

BUND HEIMAT UND UMWELT IN DEUTSCHLAND (BHU)
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